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                 Am Rande meines Gartens

 

                                                                                    
                               

           Kuenstlerbuch Artistbook

ein Künstlerbuch von Tanja Leonhardt (Konzept, Schrift, Miniaturen, Text)

und Martin Dürk (Graphit-Zeichnungen)

Format: 43 x 61,5 cm

Seitenzahl: 16

Entstehung: 2023

Hardcover mit Leinenbezug (naturweiß) und handgeschriebenem Titel (Graphit)

Fadenheftung

                                                      

 

Artistbook by Tanja Leonhardt and Martin Dürk (graphite-drawings)

wide: 43 cm, high: 61,5 cm

pages: 16

hardcover: Linen and handwritten title

2023                                                                            





                                                                                             

   

 Kuenstlerbuch Artistbook

                                                                                                                                              

 


                                                                     
                                                                                                 
   

      Kuenstlerbuch Artistbook                                     

                                                                                                                                                                                 

                                                    Kuenstlerbuch Artistbook
                       
   
 





     
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Kuenstlerbuch Artistbook      
       





     
       
       
Kuenstlerbuch Artistbook

Am Rand meines Gartens,

genau auf der Grenze,

ist ohne mein Zutun ein Hügel entstanden.

 

Ackerwinde und Bernnessel

 

Jahr um Jahr, Schicht um Schicht,

legten sich Pflanzendecken darüber

und vergingen. Immer,

 

Hopfen und Farn

 

   
       
       
Kuenstlerbuch Artistbook

wenn ich dachte, sein Endzustand sei erreicht,

bereitete sich im Untergrund schon neue Veränderung vor.

Sogar Strandflieder habe ich einmal dort gesehen.

 

Ehrenpreis und Mädesüß

 

Auch die hartnäckigsten Unkräuter

starben nach einer Weile ab

und gaben den Ort wieder frei.

 

Wildrose und Kardedistel

 

   
       
                 Kuenstlerbuch Artistbook              

Manche kamen zur Blüte.

Zwei Brombeeren habe ich geerntet

und einige Schlehen vor dem ersten Frost.

Gestern

 

Efeu und Schierling

 

sah ich eine Füchsin

unter dem Hügel hervor kommen.

Sie lief über die Felder davon.

 

 

 

© TanjaLeonhardt

       

Entstehungsprozess

Tanja Leonhardt erhielt eine Auswahl von Martin Dürks Graphitzeichnungen im Format DinA-2 auf Zeichenkarton. Die vegetabilen Motive erinnerten sie an ein Gedicht, das sie etwa zwei Jahre zuvor geschrieben hatte, und welches mit dem Symbolgehalt von Wildpflanzen arbeitet.

Martin Dürk hatte sich zur Entstehungszeit der Zeichnungen nicht nur mit Landschaft (seinem Hauptthema) sondern speziell auch mit der griechischen Mythologie auseinandergesetzt. So fanden auch zwei Zyklopen-Zeichnungen Eingang in die Bilderauswahl für das Gedicht, denn es geht hierbei um das Schauen eines passiven Beobachters. Durch das Sehen wird der Erkenntnisprozess im Text initiiert, auch, wenn es nur das Schauen eines weit aufgerissenen Einauges ist, und somit ein versehrtes.

Tanja Leonhardt kombinierte Blattpaare miteinander und leimte sie mit einem Papierstreifen zusammen um heftfähige Lagen in Laufrichtung zu erhalten. Da die Rückseiten nicht bearbeitet sind, wechseln sich beim Blättern nun immer Doppel-Motivseiten mit leeren Seiten ab, was wie eine Pause für das Auge darstellt.

Der Text zieht sich in Strophen durch das gesamte Buch. Aus den ursprünglich genannten Pflanzennamen wurden Miniaturmalereien mit lateinischen Beschriftungen in der Ästhetik alter, wissenschaftlich-botanischer Bestimmungsbücher. In der ursprünglichen Fassung werden die Pflanzennamen kursiv oder farbig vom übrigen Text abgesetzt. In der gesprochenen Form (bei Lesungen) werden sie geflüstert. Dem expressiven Zeichenstil wird eine akribisch, minutiöse Malerei entgegengestellt, kontrastierend in fast allen Wesenszügen - Farbigkeit, Größe, Methode, Stil. Diese kleinen Aquarelle wurden von Leonhardt an Stellen innerhalb der Graphitzeichnungen platziert, an denen sich größtmögliche Spanungs- oder Harmonieverhältnisse ergaben.

Der Text soll in seiner Gestaltung möglichst zurückgenommen erscheinen, um innerhalb der Gesamtkomposition lediglich als ein gleichwertiger Teil aufzutreten, nicht jedoch als Leitmotiv, dem alle anderen untergeordnet werden. Tanja Leonhardt wählte eine Humanistische Kursive, die nur verhaltene individuelle Modifikationen aufweist, also keine persönliche Handschrift. Dennoch ist sie unbedingt handgeschrieben und keinesfalls eine maschinell gedruckte Typografie. Aber auch hier stellt das Werkzeug einen bewussten Kontrast zur Graphitspur dar: eine sehr feine Zeichenfeder und Aquarellfarbe.

Die Künstlerin und Autorin kombiniert in diesem Buch also den expressiven Ausdruck großzügiger, gestischer Graphitspuren (z.T. wieder getilgt von ebenso gestischer Radiergummispur), mit der Begrenztheit kleinster Bewegungen in Schrift und Bild – die Schlusszeile aus einem Gedicht Annette von Droste Hülshoffs kommt uns in den Sinn: „… und darf nur heimlich lösen mein Haar und lassen es flattern im Winde!"(Am Turme, 1842), in dem sie ihr zu Passivität verurteiltes Dasein beklagt. So ist auch das lyrische Ich ein passives. Es schaut nur und registriert die Veränderungen an einem Ort im Garten, welcher auch selbst schon ohne sein/ihr Zutun existiert. Die Aktion liegt in den Händen eines anderen. Der Leser verharrt ebenso in der Beobachterposition, bis sich zum Schluss die Parameter verändern, und eine Füchsin den schicksalhaften, ewig gleichen Reigen von Werden und Vergehen durchbricht und sich entzieht. Das entsetzt starrende Zyklopenauge bleibt zurück.

 

Die Kombination der Arbeiten von zwei eigenständigen Künstlerpersönlichkeiten erfolgte bei diesem Buch nicht als eine von vornherein als Gemeinschaftsarbeit konzipierte Buchgestaltung, sondern war ein additiver Prozess bei dem Tanja Leonhardt intuitiv bereits bestehende Arbeiten Martin Dürks sichtete und auswählte, als zu ihrem Thema passend. Aber sie sind nicht nur stimmig im Dienste der Illustration eines Textes unterwegs, sondern bringen einen unabhängigen Entwicklungsweg und Themenkanon ins Spiel, wodurch das Motiv A (das Gedicht) um eine Fülle anderer Motive und Impulse erweitert wird, die sich in einem von Beginn an konzeptuellen Miteinander wahrscheinlich nicht ergeben hätten. Diesen Zugewinn an Bedeutung verstehen wir im Sinne der Moderne, deren Wesen Lévi-Strauss als Bricolage kennzeichnete: Zusammengebastelt macht alles viel mehr Sinn.

                  Kuenstlerbuch Artistbook    

 

                

                                                                     

 

 

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