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Hautzeichen - Körperbilder

Dieser Titel wurde auf die Wand des Museums gemalt, in sie eingeritzt. Die Außenlinien der Grotesk-Buchstaben wurden mit einem Skalpell frei-hand in den Putz geschnitten. 
Die leichten “Abnormitäten” der Typen und die an manchen Stellen fast bogenförmige Linienführung der an sich geraden Buchstabenschäfte resultieren aus dieser bewusst freihändig ausgeführten Schneidearbeit. Auch Tätowierungen und Körperbemalungen sind individuell verschieden, tragen die “Handschrift” des Künstlers, nehmen Bezug auf den Körper. Auch ihnen ist das Element des technisch Perfekten, das für uns rechnerbedingte Normalität geworden ist, fremd. Die Grotesktype (ohne Serifen, mit optisch gleich bleibender Strichstärke) erscheint uns als die sachlichste und nüchternste Druckschrift. Entstanden in der Bauhaus-Bewegung der 20er Jahre, stellt sie die jüngste wirkliche Modifizierung der griechisch/römischen Antiqua dar. Sie wurde gebrochen im gotischen Zeitgeist des Mittelalters, trug die grafischen Insignien der Renaissance und des Humanismus und symbolisierte in schmuckloser, grotesker Form den wissenschaftlichen, “entzauberten” Geist des 20. Jahrhunderts. Genau diese Eigenschaft ist der Grund dafür, dass gerade sie für den Titel eingesetzt wurde: Sie steht für uns, die Betrachter. Wir sammeln die Artefakte und katalogisieren, wir reflektieren, wir analysieren. Verändern wir einmal die “Lesart” und blicken durch die grotesken Typen hindurch, so sehen wir dahinter eine uns fremde Welt, den scheinbar wilden Dschungel der Tätowierung, Skarifizierung und Körperbemalung. 
      
  

Die Buchstaben erscheinen gleichsam nicht gemalt, vielmehr durchsichtig, den Blick frei gebend auf eine dahinter liegende Form, die so groß ist, dass wir sie nur erahnen können. Die Bruchstücke, die wir zu sehen bekommen, sind zu klein, als dass wir das Ganze erfassen könnten. Doch je größer der Abstand wird, desto mehr nimmt das Auge die Großformen wahr, die ihm aber immer wieder entgleiten. Es ist uns nicht möglich, alles zu verstehen. Die Tiefe der Erfahrung, die mit den Hautzeichen für die unterschiedlichen Kulturen verbunden ist, wird sich uns nicht restlos erschließen.       

 

 

      
 

Auf dem ersten Treppenabsatz zwischen den Stockwerken begegnet uns ein zweites Bild, welches als Pendant zum Titel-Schriftzug genau darüber im zweiten Stockwerk erscheint. Es zeigt ein Motiv aus der Podai-Malerei, das zugleich das Logo der Ausstellung ist. Ihm ist die Formensprache des Titel-Schriftzugs entnommen. Auch in der Farbigkeit entsprechen die beiden Motive einander. Sind uns die Blauschwarz-Modifikationen bereits aus der Tätowierung vertraut, so entstehen sie beim Podai durch mit Asche vermischten Pflanzensaft. Dieser Herstellung wurde Rechnung getragen, indem der Acrylfarbe ebenfalls Asche und zerriebene Holzkohle beigefügt wurde. Der Farbauftrag des Ausstellungslogos ahmt den tatsächlichen Effekt auf der Haut nach: eine körperhaltige Farbe, die direkt nach dem Auftrag ölig glänzt und in der die Kohlepartikel reliefartig sichtbar und fühlbar sind. 

Auf dem balkonartigen Treppenabsatz stehend, die Hände auf das schöne, geschwungene Holzgeländer gelegt, kann man sich einen Moment Zeit nehmen und beide Motive gemeinsam betrachten: Das untere und das obere Stockwerk, verbunden im Dialog von Farbe und Form.

 

Letztendlich setzt wuchert die Korrespondenz noch ein Stück weiter, bis an den Hals des "Protagonisten", einer lebensechten Figur der Fa. Artwerk, MGSE-International Ltd.

Die Eidechse als Motiv wurde nicht zufällig gewählt. In ihr kommt eine lauernde Gefahr zum Ausdruck. Eine Kraft, die aus dem Muster des Schriftzugs dahinter gespeist zu sein scheint. Die Figur spielt mit dem Dämon im Handtaschenformat, scheinbar gebändigt. Was aber, wenn die Wand dahinter durchlässig würde? ...